Unsere Genossenschaft

Die GFT wird europäisch

Interview mit den Internationalisierern der GFT: Günter Rappan (links) und Harmen W. Teesselink (rechts)

Seit 2021 ist die GFT nicht länger nur in Deutschland aktiv: Mit Österreich und den Niederlanden ist sie in zwei weitere europäische Märkte eingetreten. Verantwortlich für die Geschäftsentwicklung in diesen beiden Ländern ist der Österreicher Günter Rappan und der Deutsch-Niederländer Harmen W. Teesselink. Mitten in der Pandemie eine besondere Herausforderung. Doch erste Erfolge lassen das Potenzial dieses Schrittes erkennen.


Herr Teesselink, welche Gedanken liegen hinter dem „Going-Europe“ der GFT?
Teesselink: Grundsätzlich gilt für Genossenschaften: Je mehr man ist, desto stärker ist die Gemeinschaft. Das gilt auch für die GFT. Aber in Deutschland stoßen wir an Grenzen. Dort ist die Durchdringung schon sehr hoch. Daher haben wir begonnen, unser Erfolgsmodell auch in andere europäische Staaten zu bringen. Und es lässt sich schon ganz gut an.


Also nach dem Motto: „Was einmal Erfolg bringt, das klappt auch zwei- oder dreimal“?
Teesselink: Genau. Dabei hilft uns, dass auch Österreich und die Niederlande das Genossenschaftsmodell kennen, dass auch dort Einkaufsgenossenschaften etabliert sind, dass auch dort Genossenschaften für ihre Mitglieder die Zentralfakturierung übernehmen, aber eben nicht im Bereich der Fernmeldetechnik oder in der Sicherheitstechnik.

Und von einer wachsenden Größe und damit europäischen Marktrelevanz profitieren auch die Bestandsmitglieder.


Herr Rappan, wie sieht die grenzüberschreitende Zusammenarbeit aus?
Rappan: Das ist relativ einfach – und das macht auch den Schritt in das europäische Ausland so naheliegend: Die GFT übernimmt bzw. zentralisiert bestimmte Geschäftsprozesse – Artikeldaten­management, Kreditoren­management, Rechnungseingangsprüfung, Zentralfakturierung. Alles Tätigkeiten, die bei allen Mitglieds­unternehmen sonst mit deren eigenen Ressourcen abgewickelt werden müssten. All das leistet die GFT für deutsche Mitglieder und jetzt eben auch für österreichische und niederländische.

Aber dafür baut sie in diesen Ländern keine eigene Infrastruktur auf, sondern nutzt die Ressourcen der GFT in Hilden. Durch das größere abgewickelte Volumen wächst die Produktivität der Genossenschaft weiter. Und so erhöhen wir wiederum den finanziellen Mehrwert für bestehende Mitglieder und bieten attraktive Rahmenbedingungen für neue Mitglieder.


Und wie schaffen Sie den Markteintritt in Österreich?
Rappan: Wir konnten mit den wichtigsten bestehenden Lieferanten attraktive Konditionen auch für künftige österreichische Mitglieder vereinbaren. Zudem haben wir österreichische Lieferanten ins Portfolio aufgenommen. Dadurch können neue Mitglieder in Österreich sofort von den starken Leistungen einer Genossenschaft profitieren, die sich seit 50 Jahren im Auftrag und zum Wohle der Mitglieder entwickelt hat. Das überzeugt viele, mit uns in einen Austausch zu treten, Lieferanten ebenso wie Errichter- und Sicherheitstechnik­betriebe.


Ist das nicht in der Pandemie besonders herausfordernd?
Rappan: Klar. Das sind keine optimalen Rahmenbedingungen, wenn die gerade für den Aufbau eines genossenschaftlichen Netzwerkes so wichtige persönliche Ansprache pandemiebedingt zum großen Teil fehlt. Ein vielschichtiges Konstrukt, das wir bieten, ist über Telefon oder Video nicht einfach zu erklären. Aber es gibt viel positives Feedback zu den Dienstleistungen und den Benefits, die die Genossenschaft bietet.


Und in den Niederlanden, Herr Teesselink?
Teesselink: Zunächst: Genossenschaften sind in den Niederlanden bekannt und selbsterklärend. Dennoch brauchten wir fünf Monate Vorbereitungszeit, ehe wir die ersten Unternehmen ansprechen konnten. Homepage, Broschüren, Verträge – alles musste übersetzt werden. Dann haben wir eine Potenzialuntersuchung durchgeführt und dabei 200 Errichterbetriebe identifiziert, für die die Leistungen der GFT passen würden. Die Qualität der Betriebe war uns wichtiger als die Quantität. Nun bin ich sehr zuversichtlich, dass wir im ersten Halbjahr 2022 die ersten niederländischen Mitglieder onboarden können, zumal wir unsere Ansprachetechnik weiter verfeinert haben und uns aktuell auf Familienbetriebe konzentrieren.

Und in der Sicherheitstechnik sind 250 Unternehmen in den Niederlanden aktiv. Aber diese Zielgruppe wollen wir erst in einem zweiten Schritt in der zweiten Jahreshälfte 2022 ansprechen.


Aber es gibt doch sicherlich auch Unterschiede in den Märkten?
Teesselink: Ja, einige. Zum Beispiel haben wir Distributoren mit niederländischer Niederlassung, Skonto ist hierzulande unbekannt. Da nicht alle EU-Richtlinien umgesetzt sind, haben wir teilweise unterschiedliche Rahmenbedingungen. Ein Beispiel dafür ist die in den Niederlanden unbekannte Beteiligung der Produzenten im Gewährleistungsfall auch am Aufwand, der durch den Ausbau mangelhafter Ware und den späteren Einbau der unbeschädigten Produkte entsteht.

Zudem sind die Unternehmen in den Niederlanden deutlich stärker am kurzfristigen Ertrag orientiert als in Deutschland, wo die Vorteile des Netzwerks – also die Generierung langfristiger Vorteile – genauso bedeutend sind wie die unmittelbare Ertragswirkung. Deutsche sind zudem offener, was den Austausch über Zahlen angeht. Hier sind meine niederländischen Landsleute eher zurückhaltend. Deutlich weiter sind die Niederlande im Cloud-Geschäft.

Rappan: In Österreich ist die durchschnittliche Unternehmensgröße der potenziellen Mitglieder kleiner als in Deutschland und damit auch das abgewickelte Volumen. Wir müssen also die Bonusziele mit den Lieferanten für die österreichischen Mitglieder anders definieren, um auch hier attraktiv zu sein.

Auch die verwendeten Warenwirtschaftssysteme der Interessenten sind so vielfältig, dass Standardlösungen wie in Deutschland, wo wir mit Blick auf die Warenwirtschaftssysteme einen sehr viel homogeneren Markt haben, nicht möglich waren. Aber die erforderlichen Anpassungen sind erfolgt. Das war ein großer Schritt.

Im ITK-Bereich gibt es – ähnlich wie in den Niederlanden – eine starke Tendenz hin zu Cloud-Lösungen bei Neuanlagen, so dass sich hierzulande sowohl die Errichter- als auch Lieferantenstruktur anders als in Deutschland darstellt.


Welche ersten Erfolge sehen Sie?
Rappan: Wir schließen Tag für Tag Verträge mit einer wachsenden Anzahl an Lieferanten. Und trotz aller durch die Pandemie entstehenden Widrigkeiten konnten wir unsere ersten drei Mitglieder gewinnen. Mit weiteren Interessenten bin ich im Gespräch. Viele von ihnen werden wir im Laufe des Jahrs 2022 auch als Mitglieder begrüßen können.

Teesselink: Natürlich haben wir ein umfangreiches „Lessons learned“ auf der Habenseite. Auch in den Niederlanden haben wir viele neue Lieferanten und auf der Errichterseite Familienbetriebe identifiziert. Diese sind sicherlich sehr viel leichter auch von den langfristigen Vorteilen eines starken Netzwerks zu überzeugen.


Inwieweit profitieren auch die bisherigen Mitglieder von der Geschäftsgebietsausweitung der GFT?
Teesselink: Ein absolutes Plus sind die grenzüberschreitenden Lieferungen. Denn in Zukunft geht es weniger um den Preis, sondern zunehmend um die Lieferfähigkeit. Da bieten wir dank der Internationalisierung als noch breiter aufgestellter und relevanter Akteur große Vorteile – für unsere Mitglieder in jedem Markt.

Rappan: Und diese neuen Lieferanten außerhalb Deutschlands bereichern das Sortiment auch für die bestehenden Mitglieder in Deutschland. Durch die Erhöhung des abgewickelten Volumens werden wir zudem die Produktivität und somit auch die Ausschüttung an die Mitglieder erhöhen können. Last, but not least, profitiert die Gemeinschaft auch immer vom Ideen- und Informationsaustausch. Eine Erweiterung der Mitglieder und Lieferanten über die Grenzen hinweg wird diesbezüglich die GFT insgesamt stärken.

Wir schließen Tag für Tag Verträge mit einer wachsenden Anzahl an Lieferanten.

Günter Rappan
Going Europe

Auch in Österreich und den Niederlanden bietet die GFT nun ihr Erfolgsmodell an.

Sieht großes Potenzial in den Niederlanden: Harmen W. Teesselink beim Interview